Speicher
audiovisuelle Installation
Stadtmuseum, Münster 2001
Ein dunkler Raum, darin farbig beleuchtete Gebrauchsgegenstände, offensichtlich stark benutzt und aus der Mode gekommen. Manche scheinen zu schweben, manche sind seltsam verändert – das Portrait eines Soldaten auf einem Frühstücksbrettchen, die schwarze Single anstelle des Messers in der Brotschneide-Maschine. Zu hören sind mehrere Monologe gleichzeitig, die Objekte sprechen mit meiner Stimme.
Aus den Texten von Sessel, Lampe, Mantel, Koffer etc. setzt sich langsam das Bild einer alten alleinstehenden Frau zusammen, die die Gegenstände offensichtlich zurückgelassen hat. Sie sind – wie die fiktive Besitzerin selbst – Randexistenzen, vom Verschwinden bedroht.
Subtile Passagen machen deutlich, daß die alte Frau den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat. In ihrer persönlichen Geschichte, ihren Gewohnheiten und Alpträumen zeigt sich ein Abdruck der Zeitgeschichte. Jetzt verstauben die Zeugen ihrer Erinnerungen als Plunder auf dem Speicher, sind gleichzeitig selbst Speicher von Erinnerungen. Sie erleben alle Handlungen, die mit ihnen, auf ihnen, an ihnen vollzogen wurden, im Erzählen noch einmal und immer wieder.
Die Monologe vermischen sich zu einem Chor, der immer wieder neue Sinnzusammenhänge entstehen läßt. Je nachdem, welche Texte gleichzeitig hörbar sind, scheinen die Gegenstände einander zu antworten …
Textbeispiel:
Der Sessel
Dinge bewegen sich nicht freiwillig.
Das ist der Unterschied.
Sie schiebt mich in die Sonne. Eine andere Wärme.
Meine Fasern saugen sie auf. Leuchten. Zeigen ihre wahre Farbe.
Ich genieße ihren Geruch. Ihr Gewicht.
Ich schäme mich. Abgewetzt. Durchgesessen.
Sicher macht sie deshalb so selten Licht.
Wenn sie allein ist, zieht sie die Füße hoch beim Sitzen.
Manchmal ist sie ganz leicht. So, als wolle sie jeden Moment wieder aufstehen. Ich fühle ihr Gewicht kaum.
Manchmal ist sie schwer. So schwer, wie die Frau davor.
Ihre Sitzknochen bohren sich in mich, ihre Finger graben sich in den Stoff meiner Armlehnen. Meine Federn ächzen.
Ich weiß nicht mehr, wo sie anfängt. Wo ich aufhöre.
Ihre Haut ist mein Bezug, mein Stoff ihre Hülle.
Sie bewegt sich nicht mehr freiwillig.
Sie wird nicht mehr aufstehen.